Ab Juli 2025: 100 Jahre Aktenaufbewahrung in der Jugendhilfe Neue gesetzliche Vorgaben im SGB VIII: Was auf Leistungserbringer zukommt

Langzeitarchivierung Jugendhilfe

Ab Juli 2025 tritt eine gesetzliche Neuregelung in Kraft, die es in sich hat: Einrichtungen und Dienste der Kinder- und Jugendhilfe müssen künftig bestimmte Akten für bis zu 100 Jahre aufbewahren.

Grundlage ist eine Änderung im SGB VIII, genauer im Rahmen des Gesetzes zur Stärkung der Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs. Diese Fristverlängerung soll sicherstellen, dass betroffene Personen auch Jahrzehnte später noch Zugang zu relevanten Informationen erhalten – insbesondere im Kontext von Gewalterfahrungen und Missbrauchsfällen. Was auf den ersten Blick nach reinem Verwaltungsaufwand aussieht, hat also einen ernsten und nachvollziehbaren Hintergrund. Dennoch bringt die Umsetzung dieser Vorgabe eine ganze Reihe praktischer und rechtlicher Herausforderungen mit sich.

Betroffen sind unter anderem Akten, die mit Schutzmaßnahmen nach § 42 SGB VIII zusammenhängen, genauso wie Dokumentationen über freiheitsentziehende Maßnahmen oder Maßnahmen nach dem Jugendrecht. Ebenfalls relevant: Unterlagen über Hilfeverläufe, Beteiligungsverfahren oder Beschwerden in Einrichtungen. Diese Daten müssen nun viel länger gespeichert und geschützt werden als bisher – eine Aufgabe, die weder mit einem schnellen Update im Dokumentenmanagementsystem noch mit ein bisschen zusätzlichem Speicherplatz erledigt ist.

Die Fristverlängerung bedeutet konkret: Einrichtungen sind dazu verpflichtet, personenbezogene Unterlagen über Zeiträume zu archivieren, die über die aktive Berufslaufbahn der Beteiligten hinausgehen. Wer jetzt in der Jugendhilfe arbeitet, muss also Dokumente verwalten, die potenziell erst im Jahr 2125 endgültig vernichtet werden dürfen. Das klingt nicht nur surreal, sondern stellt auch grundsätzliche Fragen an die technische und organisatorische Machbarkeit.

Ein besonders sensibles Thema ist dabei der Datenschutz. Denn je länger personenbezogene Daten gespeichert werden, desto größer wird das Risiko eines Missbrauchs oder Datenverlusts. Gleichzeitig besteht aber auch ein berechtigtes Interesse der Betroffenen an langfristiger Transparenz und Zugang zu ihren Unterlagen. Zwischen diesen beiden Polen eine tragfähige Praxis zu entwickeln, ist keine Kleinigkeit. Es braucht tragfähige Konzepte, rechtssichere Verfahren und vor allem auch ein klares Bewusstsein dafür, welche Daten archiviert werden müssen – und welche nicht.

Parallel dazu müssen sich Leistungserbringer auch mit der Frage auseinandersetzen, wie digitale Daten über Jahrzehnte hinweg zuverlässig lesbar und manipulationssicher erhalten bleiben. Das heißt: regelmäßige Systemmigration, verschlüsselte Speicherung, klare Zugriffsregelungen – und all das idealerweise in einem belastbaren Konzept dokumentiert.

Ein weiteres Problem ist die fachliche Umsetzung: Wer übernimmt die Verantwortung? Wer entscheidet, welche Dokumente archiviert werden und welche nicht? Und wie lässt sich das Ganze rechtlich sauber aufsetzen? Hier braucht es eindeutige Handlungsanweisungen, Fortbildungen für die Fachkräfte und auch eine gewisse Fehlerkultur. Denn klar ist: Die wenigsten Einrichtungen haben bislang Erfahrungen mit 100-jährigen Archivierungsfristen.

Wer jetzt denkt, dass das alles noch weit weg ist, täuscht sich. Die Änderungen im SGB VIII sind beschlossen, die Übergangszeit läuft – und spätestens ab Sommer 2025 müssen die Prozesse stehen. Es ist also höchste Zeit, sich mit dem Thema ernsthaft auseinanderzusetzen, Zuständigkeiten zu klären und eine realistische Planung zu starten. Denn eins ist sicher: Einfach weiterzumachen wie bisher, wird nicht reichen.

Für alle, die sich einen Überblick verschaffen wollen, was die Neuregelung konkret bedeutet und welche praktischen Lösungen möglich sind, gibt es am 24. Juni 2025 ein kostenfreies Webinar der IJOS GmbH mit Dr. Frank Plaßmeyer und Christian Dinse. Dort werden die gesetzlichen Hintergründe, technische und organisatorische Anforderungen sowie Praxistipps kompakt und verständlich vorgestellt.

Alle Infos und die Anmeldung sind hier zu finden:

https://www.ijos.net/fortbildungen/live-webinar/1180-finanzierung-und-datenschutz-nach-der-gesetzesreform-bzgl-ubskm.html