Zurück ins Heim? Warum die BAGüS-Pläne ein Problem sind Wie ein Reformpapier alte Anstaltsstrukturen wiederbeleben könnte

Roland Rosenow hat in seinem Blogbeitrag unter sozialrecht-rosenow.de treffend analysiert, warum die aktuellen Forderungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger (BAGüS) zur Reform des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) ein gefährlicher Rückschritt sind. Die BAGüS behauptet, ihre Vorschläge stünden im Einklang mit der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Doch wer genauer hinschaut, erkennt: Hier geht es nicht um Fortschritt oder Inklusion, sondern um eine Rückkehr zu überholten anstaltsähnlichen Strukturen.

Statt individueller Teilhabe und Selbstbestimmung soll die Eingliederungshilfe künftig stärker von den Trägern der Eingliederungshilfe gesteuert werden. Besonders brisant ist die Forderung nach einer Bedarfsplanung, die es Trägern der Eingliederungshilfe erlauben würde, über die Angebote zu bestimmen. Was zunächst nach effizienter Steuerung klingt, bedeutet in der Praxis eine Einschränkung der Wahlfreiheit von Menschen mit Behinderungen. Nicht mehr der individuelle Bedarf, sondern wirtschaftliche Interessen könnten dann darüber entscheiden, welche Leistungen zur Verfügung stehen.

Ein weiteres Beispiel für die problematischen Forderungen ist das sogenannte Belegungsrecht. Damit würde den Trägern der Eingliederungshilfe die Macht gegeben, Betroffene bestimmten Einrichtungen zuzuweisen. Der Begriff „Belegung“ zeigt bereits die dahinterliegende Denkrichtung: Es geht um Plätze in stationären Einrichtungen, nicht um individuelle ambulante Lösungen. Wer also Assistenz in der eigenen Wohnung oder alternative Unterstützungsformen braucht, könnte zukünftig das Nachsehen haben.

Die BAGüS fordert zudem eine „Komplexitätsreduzierung im Vertragsrecht“, was nichts anderes bedeutet als eine Entmachtung der leistungsberechtigten Personen. Bis in die 1990er Jahre konnten Einrichtungen in der Eingliederungshilfe selbst bestimmen, was sie den Menschen anboten – unabhängig davon, was diese tatsächlich brauchten. Erst mit detaillierten Leistungsbeschreibungen wurden individuelle Rechtsansprüche durchgesetzt. Die Forderung nach einer Entbürokratisierung ist daher nichts anderes als der Versuch, genau diese individuellen Ansprüche wieder abzuschaffen.

Auch bei der Bedarfsermittlung planen die Träger der Eingliederungshilfe massive Einschnitte. Die aufwendigen Verfahren zur Ermittlung individueller Bedarfe seien zu komplex und müssten „überprüft“ und „angepasst“ werden. Dahinter steckt die Idee, Bedarfe wieder pauschal festzulegen, anstatt sie auf die jeweilige Person abzustimmen. Wer sich für eine solche „Vereinfachung“ ausspricht, ignoriert bewusst die Kernidee des BTHG: die Förderung individueller, personenzentrierter Leistungen.

Besonders alarmierend ist der Vorschlag einer „theoriereduzierten Ausbildung“ für Fachkräfte in der Eingliederungshilfe. Die BAGüS will den bestehenden Fachkräftemangel nutzen, um Qualifikationsanforderungen zu senken. Dabei sind es gerade gut ausgebildete Assistenzkräfte, die Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Wer hier Abstriche macht, riskiert massive Qualitätseinbußen in der Unterstützung.

Auch die Forderung nach einem „Vorrang der Pflege“ ist ein Problem. Sie könnte dazu führen, dass Menschen mit Behinderungen in Pflegeeinrichtungen untergebracht werden, anstatt Teilhabeleistungen zu erhalten. Dies widerspricht nicht nur der UN-BRK, sondern auch dem Grundsatz, dass Pflegebedarfe nicht dazu führen dürfen, dass Teilhaberechte eingeschränkt werden.

Insgesamt zeigt sich: Die Vorschläge der BAGüS laufen darauf hinaus, Menschen mit Behinderungen wieder stärker in institutionelle Strukturen zu drängen, anstatt ihnen individuelle Wahl- und Gestaltungsmöglichkeiten zu lassen. Roland Rosenow hat völlig recht, wenn er die Forderungen als Rückkehr zur „totalen Institution“ kritisiert. Wer eine inklusive Gesellschaft will, sollte sich entschieden gegen diese Pläne stellen.

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