
Die Einrichtungen und Dienste der Eingliederungshilfe in Nordrhein-Westfalen dürfen mal wieder in die Tasten hauen – der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat sich eine neue bürokratische Hürde ausgedacht. Noch vor einem halben Jahr hieß es, die Fachkonzepte für aufsuchende und ambulante Leistungen sollten kurz und knackig sein, maximal drei Seiten. Jetzt soll plötzlich für jede einzelne Stadt oder jeden Kreis, für die eine Leistungs- und Vergütungsvereinbarung angestrebt wird, ein eigenes Konzept geschrieben werden. Mehr Bürokratie, mehr Aufwand – und das ohne vorherige Ankündigung.
Natürlich klingt Sozialraumorientierung erstmal gut. Jede Region hat ihre Besonderheiten, das wissen alle, die vor Ort arbeiten. Aber warum kommt diese Anforderung erst jetzt? Und warum ohne klare, einheitliche Vorgaben? Besonders kurios: In anderen Bundesländern spielen Fachkonzepte in den Landesrahmenverträgen eine völlig unterschiedliche Rolle. Mal sind sie kaum relevant, mal tauchen sie höchstens im Qualitätsmanagement auf – und in NRW werden sie jetzt zur Grundlage für Leistungs- und Vergütungsverhandlungen gemacht. Warum dieser Sonderweg?
Noch absurder wird es, wenn man sich den zeitlichen Ablauf anschaut. Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) hat die Finanzierungsregeln bereits vor fünf Jahren geändert. Fünf Jahre lang war es offenbar nicht nötig, solche Konzepte zu verlangen – und jetzt wird die Anforderung still und heimlich nachgeschoben. Ohne klare Kommunikation, ohne Verbindlichkeit, einfach mal so. Wer sich darauf verlassen hat, dass frühere Aussagen des LWL Bestand haben, hat sich leider getäuscht und darf nun in Windeseile neue Konzepte produzieren.
Was aber am meisten verwundert: Warum machen die Spitzenverbände der Leistungserbringer diesen Affentanz eigentlich mit? Statt sich geschlossen gegen diese praxisferne Anforderung zu wehren, wird brav mitgespielt. Aber warum? Es ist höchste Zeit, hier Druck zu machen. Einrichtungen sollten sich nicht einfach in diesen Konzept-Dschungel schicken lassen, sondern sich wehren. Vielleicht ist es an der Zeit, diese Praxis einmal sozialgerichtlich prüfen zu lassen. Denn wenn eine Anforderung wie diese nicht auf einer klaren gesetzlichen Grundlage beruht, sollte man sie auch nicht widerstandslos hinnehmen.
Wäre es zu viel verlangt, solche Änderungen frühzeitig anzukündigen und transparent zu gestalten? Wenn Sozialraumorientierung ernst gemeint ist, dann braucht es nachvollziehbare Kriterien – und keinen Konzept-Irrsinn, der mehr Zeit kostet, als er in der Praxis bringt. Ein pragmatischer Ansatz wäre, zumindest eine feste Struktur vorzugeben, die überall genutzt werden kann. So könnten Einrichtungen auf regionale Besonderheiten eingehen, ohne für jede Kommune ein komplett neues Dokument schreiben zu müssen.
Bleibt die Frage: Hilft diese neue Regelung am Ende wirklich den Menschen, um die es eigentlich geht?
Oder produziert sie vor allem mehr Bürokratie und Frust? Klar ist, dass eine gute sozialraumorientierte Arbeit individuell sein muss – aber nicht um den Preis von endlosem Papierkram. Vielleicht überlegt der LWL ja noch mal, ob er seine Anforderungen etwas realistischer gestaltet. Und vielleicht wird es Zeit, dass die Leistungserbringer-Verbände endlich aufhören, jeden Unsinn mitzumachen. Denn am Ende geht es nicht um Formulare, sondern um echte Unterstützung für die Menschen, die sie brauchen.
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- Oberlehrer: Adobe Firefly