Nachweispflicht ordnungsgemäßer Buch- und Aktenführung Handlungsnotwendigkeiten aufgrund gesetzlicher Neuregelungen (KJSG)

Träger von Einrichtungen müssen nachweisen können, dass sie den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buch- und Aktenführung entsprechende Aufzeichnungen anfertigen und deren Aufbewahrung sicherstellen.

Ich möchte an dieser Stelle regelmäßig auf Handlungsnotwendigkeiten für Leistungserbringer im Bereich der Hilfen zur Erziehung hinweisen, die aufgrund der anstehenden SGB VIII-Reform (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) notwendig werden. Heute soll es um Nachweispflichten gegenüber der betriebserlaubniserteilenden Behörde gehen.

Gemäß § 45 Absatz 3 Nummer 3 SGB VIII-E haben Träger von Einrichtungen nachzuweisen,

 “(…) dass den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buch- und Aktenführung entsprechende Aufzeichnungen über den Betrieb der Einrichtung und deren Ergebnisse angefertigt werden sowie eine mindestens dreijährige Aufbewahrung dieser Aufzeichnungen sichergestellt wird; die Nachweis- und Aufbewahrungspflicht umfasst auch die Unterlagen zu räumlichen, wirtschaftlichen und personellen Voraussetzungen nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 sowie zur Belegung der Einrichtung.“ 

In der Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf wird  hierzu wie folgt Stellung genommen:

“§ 45 Abs. 3 Nr. 3 SGB VIII regelt die Anforderungen an die Aufzeichnungspflichten des Trägers der Einrichtung. Die Dokumentations- und Aufzeichnungspflichten bedürfen im Interesse eines wirksamen Kinderschutzes einer Konkretisierung und begrifflichen Schärfung, um im Rahmen von Prüfungen anhand der vorgelegten Unterlagen etwaige Missstände aufzeigen zu können oder diese auch auszuräumen. Hierzu bedarf es einer Regelung, wonach der Träger der Einrichtung nachzuweisen hat, dass er den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buch- und Aktenführung entsprechende Aufzeichnungen anfertigt und deren Aufbewahrung sicherstellt.”

Es steht zu vermuten, dass durch die in der Praxis eher unübliche Begrifflichkeit einer “ordnungsgemäßen Buch- und Aktenführung” auf die steuerrechtlichen Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) verwiesen wird. In der Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf heißt es dann auch: 

“Die Erfüllung entsprechender Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten resultiert auch aus dem Steuerrecht bzw. dem Körperschaftsrecht. Ordnungsgemäß wirtschaftende Träger müssen diese Aufzeichnungen ohnehin führen. Ein etwaiges Vertrauen der Einrichtungsträger, diese Unterlagen nicht anzufertigen zu müssen, ist daher nicht schutzwürdig. Schließlich spricht der überwiegende Gemeinwohlbelang des wirksamen Kinderschutzes für die Neuregelung. Aus entsprechenden Aufzeichnungen und Unterlagen lassen sich frühzeitig Kindeswohlgefährdungen erkennen, die sonst im Verborgenen bleiben.”

Die GoBD wurden durch das Bundesfinanzministerium (BMF) mit Schreiben vom 14.11.2014 eingeführt und traten zum 1.01.2015 erstmalig inkraft. Von einer GoBD-Konformität kann immer dann ausgegangen werden, wenn über den gesamten Zeitraum der Aufbewahrungsfristen hinweg, die in den GoBD verankerten Ordnungsvorschriften vom Träger der Einrichtung sichergestellt werden. Dies gilt für alle steuerrelevanten Dokumente – ob in Papier- oder elektronischer Form. Die GoBD gelten für alle Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe. Nicht nur bilanzierungspflichtige Unternehmen müssen die GoBD-Richtlinien beachten, sondern auch Freiberufler und Kleinunternehmer, welche eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) anwenden. 

Folgende Punkte müssen bei einer GoBD-konformen Buchhaltung erfüllt werden:

  • Nachvollziehbarkeit
  • Vollständigkeit
  • Richtige und zeitnahe Buchung
  • Ordnung und Unveränderbarkeit
  • Formattreue bei Archivierung

Darüber hinaus gelten seit dem 01. Januar 2007 E-Mails als Geschäftsbriefe und müssen bei einer GoBD-konformen Archivierung berücksichtigt werden. Gemäß den Bestimmungen des deutschen Steuerrechts und der GoBD müssen E-Mails mit folgenden Inhalten archiviert werden:

  • Buchungsbelege
  • Eingegangene Handels- oder Geschäftsbriefe
  • Versandte Handels- oder Geschäftsbriefe
  • E-Mails mit steuerlich relevanten Inhalten
  • Bücher und Aufzeichnungen
  • Inventare
  • Jahresabschlüsse
  • Lagerberichte
  • Organisationsunterlagen

Sämtliche steuerlich relevante E-Mails müssen darüber hinaus nach den GoBD inklusive ihrer Anhänge manipulationssicher, maschinell lesbar und vollständig archiviert werden und jederzeit abrufbar sein. Daher wird es auch für Leistungserbringer im Bereich der Kinder – und Jugendhilfe u.a. unumgänglich sein, ein GoBD-konformes E-Mail-Archivierungssystem zu nutzen. Hierfür gibt es spezielle Software-Anwendungen wie z.B. Mailstore oder Benno-Archiv.

Ein Verstoß gegen die GoBD kann zu folgenden Sanktionen führen:

  • Steuerstrafrechtliche oder ordnungswidrigkeitsrechtliche Folgen
  • Schätzung von Besteuerunsggrundlagen
  • Verfolgung von Insolvenzstraftaten
  • Verfolgung wegen Urkundenunterdrückung
  • Bußgelder
  • Wegfall der Wirksamkeit von Jahresabschlüssen
  • Wegfall von Subventionen
  • Wegfall der rechtlichen Grundlage für Gewinnausschüttungen bei privatgewerblichen Einrichtungen

Laut Angaben der Bundesregierung sind die Regelungen zu Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten insbesondere auch auf bestehende Einrichtungen mit wirksamen Betriebserlaubnissen anzuwenden. 

“Dies ergibt sich aus den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen zur sogenannten echten und unechten Rückwirkung von Gesetzen. Auf die Ausführungen zu Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 und zu Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 wird verwiesen. Die dortigen Ausführungen gelten entsprechend. Insbesondere liegt ein Fall unechter Rückwirkung vor. Auch ist die Regelung nicht über Gebühr belastend. Es greift auch hier der sogenannte Bagatellvorbehalt.”

Die Nachweis- und Aufbewahrungspflicht gemäß § 45 Absatz 3 Nummer 3 SGB VIII-E umfasst auch die Unterlagen zu räumlichen, wirtschaftlichen und personellen Voraussetzungen nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 sowie zur Belegung der Einrichtung. Aus diesem Grund werden nachfolgende Unterlagen zukünftig mehr Bedeutung erlangen und müssen von den Leistungserbringern regelmäßig geführt und archiviert werden:

  • Konzept der Einrichtung gemäß § 45 SGB VIII
  • Raumkonzept inklusive brandschutztechnische Stellungnahme
  • mehrjährige Rentaibilitäsberechnungen für den Betrieb der Einrichtung
  • Dienstpläne inkl. Arbeitszeitnachweise (3-Jahresnachweis)
  • Belegungsdokumentation (3-Jahresnachweis)

In der Begründung zum Gesetzesentwurf bestätigt die Bundesregierung die Prüfabsicht in Verbindung mit dem Kinderschutz. Durch die Belegungsdokumentation könne zum Beispiel nachvollzogen werden, ob die Einrichtung den Vorgaben entsprechend belegt oder aber überbelegt wird. 

“Aus den Unterlagen zu den wirtschaftlichen Voraussetzungen kann im Bedarfsfall abgeleitet werden, ob diese (weiterhin) eine ordnungsgemäße Führung ermöglichen oder dieser aufgrund finanzieller Engpässe, die mit qualitativen Einschnitten in der Leistungserbringung verbunden sein können, entgegenstehen. Über die Nachweispflicht in Nummer 3 wird bereits bei der Prüfung der Erteilung der Betriebserlaubnis sichergestellt, dass entsprechende Vorkehrungen getroffen werden, um nötigenfalls einer Pflicht zur Vorlage der für die laufende Prüfung nach Erteilung gemäß § 46 Absatz 1 SGB VIII-E erforderlichen Unterlagen nachkommen zu können.”

Träger von Einrichtungen sollten jetzt schnellstmöglich prüfen, inwieweit sie bereits den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buch- und Aktenführung entsprechende Aufzeichnungen anfertigen und deren Aufbewahrung sicherstellen. Auch sollten sie bereits jetzt sicherstellen, dass alle Unterlagen zu räumlichen, wirtschaftlichen und personellen Voraussetzungen nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 sowie zur Belegung der Einrichtung erstellt werden.

Es ist grundsätzlich nicht davon auszugehen, dass Übergangs- bzw. Schonfristen Anwendung finden werden. In der Begründung zum Gesetzesentwurf weist die Bundesregierung explizit auf eine entsprechende unmittelbare Umsetzungsverpflichtung hin:

“Auch war eine entsprechende Regelung bereits in dem im Jahr 2017 vom Deutschen Bundestag beschlossenen Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendhilfen enthalten. Die Träger hatten so genug Zeit, sich auf die in Aussicht stehenden Änderungen einzustellen und Anpassungen vorzunehmen. Die Erfüllung entsprechender Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten resultiert auch aus dem Steuerrecht bzw. dem Körperschaftsrecht. Ordnungsgemäß wirtschaftende Träger müssen diese Aufzeichnungen ohnehin führen. Ein etwaiges Vertrauen der Einrichtungsträger, diese Unterlagen nicht anzufertigen zu müssen, ist daher nicht schutzwürdig. Schließlich spricht der überwiegende Gemeinwohlbelang des wirksamen Kinderschutzes für die Neuregelung. Aus entsprechenden Aufzeichnungen und Unterlagen lassen sich frühzeitig Kindeswohlgefährdungen erkennen, die sonst im Verborgenen bleiben.”

Die Kosten der Leistungserbringer für die Umsetzung des § 45 Absatz 3 Nummer 3 SGB VIII-E sind grundsätzlich entgeltrelevant und im Rahmen der nächsten Verhandlung von Leistung-, Entgelt- und Qualtitätsentwicklung durch den Öffentlichen Träger der Jugendhilfe zu akzeptieren und auch zu finanzieren.

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Quellen:

Deutscher Bundestag [DB] (2021): Gesetzentwurf der Bundesregierung. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG). Drucksache 19/26107 v. 25.01.2021. Verfügbar über: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/261/1926107.pdf, [01.04.2021]

Deutscher Bundestag [DB] (2021): Unterrichtung durch die Bundesregierung. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG). Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung. Drucksache 19/27481 zu Drucksache 19/26107 vom 12.03.2021. Verfügbar über: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/274/1927481.pdf, [01.04.2021]

Bildquellen

  • unhappy-389944_640: Pixabay