Externe Möglichkeiten der Beschwerde für Kinder und Jugendliche in Einrichtungen Handlungsnotwendigkeiten aufgrund gesetzlicher Neuregelungen (KJSG)

Leistungserbringer müssen Kindern, Jugendlichen und deren Familien zukünftig die Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten innerhalb und außerhalb der Einrichtung gewährleisten.

Ich möchte an dieser Stelle regelmäßig auf Handlungsnotwendigkeiten für Leistungserbringer im Bereich der Hilfen zur Erziehung hinweisen, die aufgrund der anstehenden SGB VIII-Reform (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) notwendig werden. Beginnen möchte ich mit der Gewährleistungspflicht bei teilstationären und stationären Angeboten der Erziehungshilfe, bezogen auf die Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten innerhalb und außerhalb der Einrichtung.

Gemäß § 45 Absatz 2 Nummer 4 SGB VIII-E  ist eine Betriebserlaubnis zu erteilen, wenn das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung gewährleistet ist. Dies ist u.a. in der Regel anzunehmen, wenn zur Sicherung der Rechte und des Wohls von Kindern und Jugendlichen in der Einrichtung auch die Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten innerhalb und außerhalb der Einrichtung gewährleistet werden. Einrichtungsträger werden im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung einer Betriebserlaubnis verpflichtet, Möglichkeiten der Beschwerde auch außerhalb der Einrichtung zu gewährleisten. Der Nachweis wird über das Konzept der Einrichtung zu erbringen sein: 

“(…) Weiterhin präzisiert die Neufassung der Vorschrift das Erfordernis einer Möglichkeit für Kinder und Jugendliche, etwaige Beschwerden an Stellen außerhalb der Einrichtung selbst einrichten zu können. Diese Möglichkeit der Wahrnehmung von Beschwerdemöglichkeiten außerhalb der Einrichtung muss nach der Konzeption der Einrichtung gewährleistet werden und in dieser von Beginn an vorgesehen sein.” 

Bei der Einrichtung von externen Beschwerdemöglichkeiten handelt es sich eigentlich um einen “alten Hut”. Bereits mit Inkrafttreten des Bundeskinderschutzgesetzes am 1.1.2012 wurde dieser Schutzaspekt bundesweit diskutiert. Urban-Stahl etwa weist bereits im Jahre 2013 im Rahmen des Forschungsprojektes „Bedingungen der Implementierung von Beschwerdeverfahren in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe (BIBEK) auf die Möglichkeit hin, zusätzlich einrichtungsexterne Ansprechpersonen und Institutionen einzubeziehen. So könnten zum Beispiel zuständige Sachbearbeiter*innen im Jugendamt als Ansprechpersonen dienen. Auch einrichtungsexterne Beschwerdestellen, wie zum Beispiel Ombudspersonen kämen Urban-Stahl folgend als außenstehende Ansprechpersonen bei Beschwerden infrage. Im Rahmen der Konzeptionierung sollte geprüft werden, welche Beschwerdewege und Zugänge vor dem Hintergrund einer strukturellen Voraussetzung in der Einrichtung sinnvoll und umsetzbar wären.

Leistungserbringer werden jedoch durch die gesetzliche Neuregelung nicht grundsätzlich verpflichtet, externe Beschwerdestellen selbst einzurichten:

“Die die Einrichtungsträger adressierende Regelung des § 45 Absatz 2 Nummer 4 SGB VIII-E umfasst ausschließlich deren Verpflichtung, einen Zugang zu externen Beschwerdemöglichkeiten zu gewährleisten, beinhaltet aber keine Pflicht zur Schaffung externer Beschwerdestellen durch die Träger. Dieser Pflicht kann auch durch die Schaffung einer niedrigschwellig wahrzunehmenden Möglichkeit, beispielsweise von telefonischen Einzelgesprächen mit dem zuständigen Jugendamt oder einer ähnlich geeigneten Kontaktaufnahme nach außen, entsprochen werden.”

Unabhängig hiervon müssen Leistungserbringer aber zukünftig grundsätzlich Kosten für die Entwicklung von betriebserlaubnisrelevanten Umsetzungskonzepten einplanen. Die Kosteneinschätzung der Bundesregierung erweist sich in diesem Zusammenhang jedoch als praxisfern: 

“Die Gewährleistung der Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten für Kinder und Jugendliche auch außerhalb einer Einrichtung ist mit einem einmaligen Erfüllungsaufwand für Träger von Einrichtungen in Höhe von 775 000 Euro verbunden. Es wird davon ausgegangen, dass hierfür insgesamt 2 300 Umsetzungskonzepte von Beschäftigten mit unterschiedlichen Qualifikationsniveaus (Durchschnittslohnsatz für den Wirtschaftszweig Q von 31 Euro/Std.) erstellt werden müssen, deren Ausarbeitung jeweils 10 Stunden (600 Minuten) in Anspruch nehmen.”

Die Erarbeitung von individuellen Umsetzungskonzepten zur Gewährleistung externer Beschwerdemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche zum Preis von jeweils 310 EUR kann als abwegig betrachtet werden. Leistungserbringer sollten davon ausgehen, dass wesentlich höhere Kosten mit der notwendigen Konzepterstellung einhergehen werden. 

Ich empfehle Ihnen, externe Beratungs- und Unterstützungsleistungen zur Erarbeitung von individuellen Umsetzungskonzepten zur Gewährleistung externer Beschwerdemöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Die Kosten hierfür werden in einem Rahmen von 1.500 EUR bis 3.000 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer als realistisch eingeschätzt. Es sei denn, Sie möchten alles selber erarbeiten und wertvolle pädagogische Ressourcen investieren.

Die Kosten für die Erarbeitung von individuellen Umsetzungskonzepten zur Gewährleistung externer Beschwerdemöglichkeiten sind grundsätzlich entgeltrelevant und im Rahmen der nächsten Verhandlung von Leistung-, Entgelt- und Qualtitätsentwicklung durch den Öffentlichen Träger der Jugendhilfe zu akzeptieren und auch zu finanzieren.

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Quellen:

Deutscher Bundestag [DB] (2021): Gesetzentwurf der Bundesregierung. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG). Drucksache 19/26107 v. 25.01.2021. Verfügbar über: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/261/1926107.pdf, [01.04.2021]

Deutscher Bundestag [DB] (2021): Unterrichtung durch die Bundesregierung. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG). Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung. Drucksache 19/27481 zu Drucksache 19/26107 vom 12.03.2021. Verfügbar über: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/274/1927481.pdf, [01.04.2021]

Bildquellen

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