Brückenlösung

Die sogenannte Brückenlösung wird zahlreichen Bundesländern als kurzfristige Maßnahme zur Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge genutzt. Sie dient dazu, Kapazitätsengpässe zu überbrücken, wenn reguläre Plätze in der Jugendhilfe nicht ausreichen. Dabei wird Trägern ermöglicht, Minderjährige ohne eine reguläre Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII aufzunehmen. Diese Ausnahmegenehmigungen sind jedoch nicht bundesweit einheitlich geregelt, sondern unterliegen unterschiedlichen Verwaltungspraxen der Länder und Jugendämter. Dadurch entstehen erhebliche rechtliche, wirtschaftliche und konzeptionelle Risiken, die Träger genau abwägen müssen.
 
Ein wesentliches Problem ist die fehlende gesetzliche Absicherung dieser Maßnahmen. Während die Brückenlösung als pragmatische Notlösung dient, gibt es weder im Bundesrecht noch im spezifischen Landesrecht, z.B. in Nordrhein-Westfalen eine spezielle Regelung, die den Bestand dieser Praxis langfristig sichert.
Zudem gelten gemäß § 78a SGB VIII die standardisierten entgeltrechtlichen Regelungen für Inobhutnahmen in den meisten Bundesländern nicht, was zusätzliche wirtschaftliche Unsicherheiten mit sich bringt. 
 
Da die Kostenerstattung nach § 89d SGB VIII erfolgt, ist eine Übernahme der Kosten durch die öffentliche Hand nur dann möglich, wenn das Jugendamt die Notwendigkeit der Maßnahme bestätigt und eine geeignete pädagogische Begleitung nachgewiesen werden kann. In der Praxis führt dies oft zu Verzögerungen bei der Refinanzierung und dazu, dass nicht alle Kosten erstattet werden.
 
Ein weiteres großes Risiko liegt in der fehlenden Planungssicherheit. Eine Brückenlösung ist als kurzfristige Maßnahme gedacht, doch es gibt keine Garantie, dass sie nicht plötzlich wegfällt. Besonders problematisch ist dies im Kontext möglicher gesellschaftlicher und politischer Veränderungen. Sollte sich durch einen Regierungswechsel oder eine veränderte politische Haltung die gesetzliche Grundlage ändern, könnte die Brückenlösung von heute auf morgen entfallen. Da es keine Bestandsschutzregelungen gibt, würde dies bedeuten, dass Jugendhilfeträger sofort keine unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge mehr ohne Betriebserlaubnis betreuen dürfen. Dies kann für viele Träger existenzbedrohende Folgen haben, da eine kurzfristige Umstellung auf eine reguläre Betriebserlaubnis in der Regel nicht möglich sein wird. Eine plötzliche Einstellung der Brückenlösung könnte damit für viele Anbieter das wirtschaftliche Aus bedeuten.
 
Zusätzlich ergeben sich konzeptionelle Herausforderungen, da trotz der fehlenden Betriebserlaubnispflicht bestimmte Mindeststandards eingehalten werden müssen, insbesondere in den Bereichen Unterbringung, Betreuung und Kinderschutz. Eine Absenkung dieser Standards birgt langfristig Risiken, da Träger, die an solchen Programmen teilnehmen, später Schwierigkeiten haben könnten, eine reguläre Betriebserlaubnis zu erhalten. Zudem variiert die Umsetzung der Brückenlösung von Jugendamt zu Jugendamt erheblich, was zu weiteren Unsicherheiten führt. Während einige Jugendämter pragmatische Lösungen finden, setzen andere auf restriktive Vorgaben oder verlangen im Nachhinein eine Betriebserlaubnis, was für Träger rechtliche Konsequenzen haben kann.
 
Um diesen Risiken zu begegnen, sollten Leistungserbringer in der Kinder- und Jugendhilfe frühzeitig eine enge Abstimmung mit den zuständigen Jugendämtern und insbesondere auch Landesjugendämtern suchen und ein Konzept entwickeln, das Mindeststandards für Betreuung und Unterbringung definiert. Darüber hinaus ist es ratsam, finanzielle Rücklagen (falls überhaupt möglich…) zu bilden, um mögliche Refinanzierungsprobleme zu überbrücken. Wichtig ist zudem, die Nutzung der Brückenlösung klar zu befristen, um nicht in eine dauerhafte Notlösung gedrängt zu werden. Eine umfassende Dokumentation der Betreuung und Unterbringung ist unerlässlich, um rechtliche Probleme zu vermeiden und bei möglichen Nachfragen der Behörden entsprechende Nachweise erbringen zu können.