Prof. Dr. Ernst-Wilhelm Luthe hat maßgeblich am SGB VIII – Entwurf mitgewirkt Neue indirekte Einblicke hinter die Kulissen der geheimen SGB VIII - Reform

Prof. Dr. Ernst-Wilhelm Luthe von der Ostfalia Hochschule (Institut für angewandte Rechts- und Sozialforschung) behauptet, dass er maßgeblich am Entwurf des neuen SGB VIII beteiligt war. Endlich mal jemand, der Gesicht zeigt, in diesem seitens des Bundesministeriums noch immer im Hintergrund betriebenen Novellierungsvorhabens. So wird derzeit weiterhin hinter verschlossenen Türen zusammen mit den Bundesfachverbänden getagt. Es haben bereits zwei Sitzungen stattgefunden. Protokolle stehen bis heute öffentlich nicht zur Verfügung.

Neben der seit langem fälligen inklusiven Lösung mit einer Vollzuständigkeit des Jugendamts für junge Menschen mit Behinderung sowie einer neuen Leistungsart, die als „Leistungen zur Entwicklung und Teilhabe“ zukünftig mit einem Auswahlermessen versehen werden soll, besteht eine der größten gesetzlichen Neuerungen nach Aussage von Herrn Prof. Luthe in der „Sozialraumorientierung“, die nun erstmalig im Gesetz verankert werden soll, “(…) – sowohl bei den Leistungen als auch bei der Anbieterfinanzierung. Damit die Orientierung am Sozialraum kein leeres Versprechen bleibt, wurden die konzeptionellen Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen erheblich erweitert.”)

Das eigentliche Herzstück der Reform läge dann im Dreiklang einer stärkeren kommunalen Gestaltungs- und Finanzierungsverantwortung . Diese soll sich auf den Bereich der Anbieterfinanzierung auswirken. Auch soll mit der “(…) Einführung eines Abschlussermessens im Bereich der Entgeltfinanzierung (§ 78 b Abs. 2), welches indirekt damit auch Ausschreibungen auf der Basis des neuen Vergaberechts (§ 130 GWB) ermöglicht” sich einiges zum Vorteil verändern. Auch, weil es eine  Einführung von Kombinationsleistung “(…) mit variabel kombinierbaren stationären, ambulanten, individualrechtlichen und infrastrukturellen Leistungsbestandteilen.” geben soll.

Interessant ist auch die hier dargestellte Denkweise von Prof. Luthe zum sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis in Kombination mit dem Aspekt “sozialräumlicher Steuerung”. So seien bezogen auf die Kombinationsleistungen diese “(…) innerhalb des herkömmlichen Dreiecksverhältnisses der Anbieterfinanzierung undenkbar. Insbesondere die Kombinationsleistung erfordert sozialräumliche Gestaltungsvorgaben von kommunaler Seite und setzt vor allem kooperationswillige und – fähige Anbieter voraus. Die nunmehr eröffnete Möglichkeit der Ausschreibung von Leistungen und damit der Beschränkung des Anbieterkreises, verbunden mit der Möglichkeit der Bildung von Anbieterkonsortien, wird daher – zumindest in meinen Augen – zum Dreh- und Angelpunkt der Reform. Gleichwohl kann sich die Kommune weiterhin auch in den bewährten Bahnen des Dreiecksverhältnisses bewegen: die Wahl der Finanzierungsform liegt im kommunalen Ermessen (§§ 76 c, 79).”

Auch erwähnt Herr Prof. Luthe den “heftigen Gegenwind”, der sich langsam auf Anbieterseite entfaltet. So ist er unsicher, ob nicht gerade deswegen zumindestens die Finanzierungsform wieder gekippt werden könnte. Aber lesen Sie doch bitte selbst. Hier finden Sie die vollständige Mitteilung von Prof. Dr. Ernst-Wilhelm Luthe.

Ich habe noch einen weiteren sehr interessanten Artikel von Prof. Luthe gefunden. In dem Artikel “Integration und Kooperation anstatt Kontrollverlust” (den Sie hier als PDF-Datei herunterladen können) gibt uns Prof. Luthe einige Hinweise, auch zum Gesetzesvorhaben (insbesondere zum Thema Sozialraumbudget), die es uns einfacher machen, seine Argumentation nachzuvollziehen.

Die Jugendhilfe selbst ist Herrn Prof. Luthe laut eigener Aussage ein Rätsel.  So könnte etwa “(…) die Instrumentalisierbarkeit einer ausgeprägten Empörungskultur, die das Reformieren hier so schwierig macht.” die Ursache sein.  Ggf. sei es auch das schon etwas abgenutzte strategische Leitbild der Sozialraumorientierung. Interesant ist übrigens auch, dass Prof. Luthe auf den Ansatz der „Netzwerkgesellschaft“ (Castells, McLuhan, Baecker) verweist. Ich habe bislang insbesondere M. Castells „Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft“anders verstanden. Ehrlich gesagt verstehe ich auch die Verbindung der kommunalen Steuerungs- und Kostenreduktionsansätze mit dem wissenschaftlichen Ansatz einer Netzwerkgesellschaft nicht. Das sollten wir gerne mal an anderer Stelle diskutieren. Ich bin gerade sehr dankbar für die neuen Eindrücke und Informationen und werde mich weiter damit beschäftigen.

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